Krisen, Crashs und exogene Schocks – Ein Blick auf die Geschichte der Märkte

Die Geschichte der Finanzmärkte ist geprägt von dramatischen Wendepunkten, systemischen Krisen und tiefgreifenden geldpolitischen Umbrüchen. In einer Grafik zur Entwicklung des S&P 500 wird von den 1920er Jahren bis 2025 einen Überblick über diese turbulente Reise bereitgestellt.

S&P500 Historie

In diesem logarithmischen Monatschart steht jede Kerze für einen Zeitraum von einem Monat. Die logarithmische Darstellung hilft, Abweichungen vom natürlichen Wachstum besser zu erkennen.

Der Grafik unterteilt die Marktgeschichte hauptsächlich in zwei Phasen: einen realwirtschaftlich getriebenen Markt und einen liquiditätsgetriebenen Markt, der insbesondere ab Anfang der 80er bis heute existent ist. Diese Zäsur, die durch eine Umbruchphase und Währungsreform des US-Dollars geprägt war, markiert den Übergang von einem durch Produktion und Wachstum geprägten Kapitalmarkt hin zu einem von Geldpolitik und Finanzinnovation dominierten Umfeld.

Von der Weltwirtschaftskrise zur Fiat-Ära

Die Wilden 20er & Wirtschaftskrise (20-33)

Die Wilden 20er waren eine Phase großen wirtschaftlichen Aufschwungs in den USA. Das Land war Sieger des Ersten Weltkrieges, ohne eigene Zerstörung, und profitierte von modernisierter Industrie und Produktion. Innovationen wie das Automobil, das Radio, elektrische Haushaltsgeräte und Fließbandproduktion revolutionierten den Alltag.

Politische Stabilität, niedrige Steuern und eine finanzielle Liberalisierung trugen zum Boom bei. Auch die Börse wurde für breite Bevölkerungsschichten zugänglich. Aktienkäufe auf Kredit ermöglichten Kleinanlegern die Teilnahme am Boom. Banken akzeptierten Aktien als Sicherheit und investierten selbst.

Das führte zu einer enormen Euphorie und Spekulationsblase, die 1929 platzte, gefolgt von Bankenpleiten. Aus der klassischen spekulativen Blase wurde damit eine systemische Krise, die letztlich in der Weltwirtschaftskrise endete.

Goldverbot und Liquiditätsgetriebener Aufschwung (33-42)

In Folge der Weltwirtschaftskrise unterzeichnete US-Präsident Franklin D. Roosevelt die Executive Order 6102, die den privaten Besitz von Goldmünzen, Goldbarren und Goldzertifikaten über 100 US-Dollar verbot. Dies war ein extreme Eingriff in die Eigentumsverhältnisse der US-Bevölkerung. Die Maßnahme war Teil des Emergency Banking Act und sollte die Kontrolle über die Geldmenge stärken. Durch die Konfiszierung des Goldes und die anschließende Abwertung des Dollars (von 20,67 auf 35 USD pro Unze Gold) konnte die Regierung die Geldbasis ausweiten und Inflation erzeugen – ein Mittel zur Bekämpfung der Deflation und zur Stimulierung der Wirtschaft.

Mit New Deal-Programmen wurde die Wirtschaft mit öffentlichen Investitionen und Sozialprogrammen angekurbelt. Die expansive Geldpolitik und die Abkehr vom Goldstandard erhöhte die Liquiditätszufuhr, so dass die Aktienmärkte, getrieben von der Hoffnung schneller Erholung, nach oben stiegen.

Durch den Zweiten Weltkrieg entlud sich der Markt bis 1942. Erst mit dem Vertrauen in die technologische und industrielle Überlegenheit der USA setzte ein nachhaltiger Aufschwung ein.

Nachkriegsboom & Bretton-Woods-System

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann der Wiederaufbau. Der Dollar war an Gold gebunden, jedoch nur zwischen Zentralbanken konvertierbar. Die Nachkriegszeit brachte einen starken wirtschaftlichen Boom, gestützt durch das Bretton-Woods-Abkommen. Das Bretton-Woods-Abkommen wurde von 44 alliierten Staten beschlossen, wodurch der US-Dollar mit 35 Dollar pro Feinunze fest an Gold gebunden und gleichzeitig zur Leitwährung erklärt wurde. Dadurch wurden Rohstoffe auf den internationalen Märkten in US-Dollar notiert und gehandelt. Die USA weitete die Geldmenge im Zuge des Vietnamkrieges über die Goldreserven hinaus aus und konnten sich günstig auf dem Weltmarkt mit Rohstoffen versorgen.

Ende des Goldstandards & Ölkrise

In den späten 1960ern wuchs das Misstrauen gegenüber dem US-Dollar. Länder wie Frankreich forderten ihr Gold zurück. Frankreich schickten dafür sogar Kriegsschiffe, die das Gold aus den USA nach Frankreich transportierte. Andere Länder kamen mit ähnlichen Forderungen, sodass 1971 Nixon den Goldstandard endgültig kündigte – der Dollar wurde zur Fiatwährung. Die Ölkrise der 1970er Jahre führte zu hoher Inflation und markierte das offizielle Ende das Goldstandards.

Volcker-Schock & geopolitischer Wandel

Um die Inflation zu bekämpfen, erhöhte FED-Chef Paul Volcker die Leitzinsen auf bis zu über 20 %. Das führte Anfang der 1980er zu einer Rezession, markierte aber auch den Beginn einer neuen Ära: Ab 1982 wurde die Geldpolitik gelockert, was einen langanhaltenden Aufschwung und den Übergang zum liquiditätsgetriebenen Markt einleitete.

Finanzprodukte wie Portfolio-Versicherungen und Derivate wurden populär und es begann die Deregulierung der Finanzmärkte, was die Grundlage für spätere Blasen legte.

Black Monday & die Geburt der Zentralbankintervention (1987)

Crash am 19. Oktober 1987: Der Dow Jones verlor an einem Tag über 22 % – das war der größte Tagesverlust der Geschichte. Die Ursache waren algorithmische Handelsstrategien (Portfolio Insurance) und fehlende Liquidität.

Zum ersten Mal trat die US-Notenbank als Markstabilisator auf. Sie stellte Liquidität bereit und signalisierte ihre Bereitschaft, die Märkte zu stützen. Das markierte den Beginn der „Greenspan-Put“-Ära – also der Erwartung, dass die Zentralbank bei Krisen einspringt.

Bis Mitte der 90, vor der Beginn der Dotcom-Blase, bewegten sich die Kurse mit relativ geringer Volatilität auf einem engen Trendkanal nach oben. (Orangene Linie)

Dotcom-Blase

Nach dem Fall des Ost-Blocks setzte zunehmend die Globalisierung ein. Die Euphorie rund um das Internet führte zu einer massiven Überbewertung von Tech-Aktien. Die Dotcom-Blase war eine klassische spekulative Blase. Durch das Internet erhielten Menschen auch einen vereinfachten Zugang zur Börse. Man konnte Aktien handeln, ohne bei der Bank anzurufen oder dort vorbeigehen zu müssen. Unternehmen, die nur eine Internetseite hatten aber kein tatsächlich funktionierendes Geschäftsmodell, wurden mit Zukunftsphantasien in die Höhe spekuliert. Teilweise haben Kleinanleger Kredite aufgenommen, um in Aktien zu investieren. Der S&P 500 stieg stark an, getrieben von Liquidität und Euphorie. Die Folge war eine enorme Blase, die sich über mehr als vier Jahre aufbaute und in zwei Jahren von 2000 bis 2002 entlud, der 11. September 2001 (exogener Schock) diente noch als Katalysator.

Ach hier senkte die FED die Zinsen deutich, um die Wirtschaft zu stützen. Die Kurse pendelten sind schnell wieder auf dem ursprünglichen Trendkanal ein – bis zur Finanzkrise 2008.

Finanzkrise und Nullzinspolitik

Die Finanzkrise 2007-2009 war ein einschneidendes Ereignis, das nicht nur die Märkte erschütterte, sondern auch die geldpolitische Architektur grundlegend veränderte. Die Grafik zeigt in dieser Phase keine klassische Kurserholung, sondern einen neuen, steiler verlaufenden Trendkanal.

Die Finanzkrise begann mit dem Platzen der Immobilienblase. Faule Kredite wurden gebündelt, verbrieft und weltweit verkauft – oft ohne ausreichende Bonität. Als die ersten Kreditausfälle stiegen, sind auch Banken mitgerissen worden. Die Banken gingen pleite, weil sie selbst massiv in riskante Verbriefungen investiert hatten und Rücknahmeverpflichtungen ihrer eigenen Hypothekenverbriefungen eingegangen waren – sie waren dadurch doppelt betroffen. Durch den wachsenden Vertrauensverlust war dann auch keine Refinanzierung mehr möglich.

Die systemische Krise war also ein Vertrauenskrise. Anleger zogen ihr Kapital aus dem ganzen Finanzsystem ab und die Folge war ein Einbruch des S&P 500 um 50 % – für viele war das nicht vorhersehbar gewesen.

Die US-Notenbank reagierte mit einer neuen Strategie, dem massiven Ankauf von Staatsanleihen und Hypothekenpapieren. Es wurde massiv Liquidität in das System gepumpt und die Leitzinsen wurden auf nahe null gesenkt, mit dem Versprechen, die Zinsen über Jahre niedrig zu halten. Diese gesteigerte Liquidität und Null-Zins-Politik führte nicht nur zu mehr Investitionen in den Aktienmarkt und damit einen steileren Trendkanal, sondern auch zu einem Immobilienboom und stark steigenden Immobilienpreisen.

Corona-Schock

Lockdowns und Unsicherheiten führten zu einem historischen Einbruch der Wirtschaft. Die Märkte stürzten kurzzeitig ab. Auch hier reagierten Zentralbanken und Regierungen mit nie dagewesener Liquidität: Billionenprogramme, Zinssenkungen, Anleihenkäufe und direkte Auszahlungen von Corona-Hilfen. Der S&P 500 erholte sich rasch und erreichte neue Höchststände und es baute sich eine Blase auf, die 2022 mit einer Zinswende beendet wurde, da die USA Anfang 2022 eine Inflation von über 7 % hatte. Ursachen waren z.B. Lieferkettenprobleme nach Corona, Nachfrageboom durch staatliche Hilfsprogramme und Rohstoffpreissteigerungen. Der Ukraine-Krieg verschärfte die Lage noch, weil dadurch Energie und Agrarrohstoffe viel teuer wurden.

Klassifizierung von Krisen

Exogene Schock

Exogene Schocks entstehen außerhalb des Wirtschafssystems (Pandemien, Naturkatastrophen, Kriege, Terror). Die Folge ist meist ein schneller Absturz (Panikverkäufe) und eine V-förmige Erholung, wenn keine strukturelle Schädigung vorliegt.

  • Ölschock durch Golfkrieg 1990
  • Terroranschläge 9/11 2001
  • Corona-Crash 2020

Spekulationsblasen

Spekulative Blasen entstehen meist durch Euphorie über neue Technologien und sind stark anlegergetrieben, also endogen.

  • Wilde 20er
  • Dotcom-Blase

Systemische Krisen

Systemische Krisen entstehen aus dem System heraus durch Übertreibungen, Fehlbewertungen und strukturelle Probleme im Finanzsystem.

  • 1929 : aus der Spekulationsblase + Überschuldung -> Bankenpleiten und Weltwirtschaftskrise
  • 1973-1974 : Energiekrise, Inflation und Geldsystemumbruch führten in eine Stagflation
  • 2008 : Kredit- und Derivateblase führte in die Finanzkrise

Schwarzer Schwan

Ein Schwarzer Schwan muss nach Nassim Nicholas Taleb drei Eigenschaften erfüllen.

  1. Extrem unwahrscheinlich – das Ereignis liegt außerhalb der Erwartungen
  2. Enorme Auswirkungen – es hat massive wirtschaftliche, gesellschaftliche oder politische Folgen
  3. Im Nachhinein erklärbar – man glaubt es rückblickend begründen zu können, obwohl es nicht vorhersehbar war.

Beispiele sind:

  • 9/11-Anschlag
  • Finanzkrise 2008
  • Corona-Pandemie

Mögliche Krisen der Zukunft

In dem Absatz spekuliere ich persönlich über mögliche Krisen oder Auslöser in der Zukunft. Alles hier ist meine eigene Meinung und soll nur als Gedankenanstoß dienen.

  • Systemische Krise durch Staatsverschuldung
    Hohe Staatsverschuldungen der westlichen Länder könnten Kettenreaktionen, Währungsumbrüche oder extrem starke Inflation auslösen und das Vertrauen in etablierte Währungen erschüttern. Szenarien wie das Ende des Euros oder des Dollars sind theoretisch möglich.
  • Systemische Krisen durch Geopolitik
    Mächte wie die BRICS-Staaten könnten die Rolle des US-Dollars als Leitwährung herausfordern. Ein Vertrauensverlust in den Dollar hätte weitreichende wirtschaftliche und politische Folgen.
  • Systemische Krisen durch Finanzpolitik
    Die Einführung von CBDCs (digitales Zentralbankgeld) könnte unerwartete Effekte auslösen, wie Vertrauensverlust, Bankruns, Kapitalflucht oder die Entstehung von Parallelwährungen.
  • Technologische Risiken
    Die zunehmende Abhängigkeit von Künstlicher Intelligenz und digitaler Infrastruktur erhöht die Anfälligkeit für technische Ausfälle. Unerwartete Störungen könnten massive wirtschaftliche oder gesellschaftliche Auswirkungen haben.
  • Gesellschaftliche Risiken
    Demografische Entwicklungen, Überalterung, Migration und mögliche Entstehung von Parallelgesellschaften oder religiösen Konflikten könnten Staaten destabilisieren und zu sozialen Spannungen führen.